Saturday 15 November 2014

Das Fallen

Ich neige seit jeher zur Melancholie und als meine Theresa wieder in die Heimat zurückgekehrt war, musste ich mich beschäftigen um nicht trübselig zu werden.

Ich probierte es mit Arbeit; das funktionierte eine Weile.
Aber von der Arbeit alleine wird man nicht froh und meine Gedanken begannen zu schweifen.
Eines Tages saß ich sorgenvoll unter einem Gummibaum in Wollongong und nickte ein.
Mir träumte eine Begegnung deren Details ich nur zögerlich und schamvoll wiedergeben kann, die aber den Hintergrund meiner späteren Verzweiflungstat liefert:

Bundespräsident Dr. Heinz Fischer offenbart mir während eines Vieraugengesprächs in der Hofburg, dass Australien in gewisser Hinsicht schmerzlich unterentwickelt sei und es an Österreich liege, humanitäre Hilfe zu leisten.
"Heinz!", sage ich (auch im Traum waren wir per du), "was immer Österreich von mir verlangt, ich folge! Aber was meinst du genau mit 'humanitärer Hilfe'?"
Das beliebteste Staatsoberhaupt aller Zeiten druckst ein wenig herum, erklärt mir jedoch schließlich die Natur der Entwicklungshilfe und mir rennt die Farbe ab.
Mit ernster Miene schildert mir der Träger des Großkreuzes der Französischen Ehrenlegion, dass die einzige Hoffnung die Australien noch bleibe, darin bestünde, mich als Care-Paket über dem Strand von Wollongong für die dortigen Sonnenanbeterinnen abzuwerfen.
In meinem Traum waren die Worte des Oberbefehlshabers komplett plausibel und mit mehr Pathos als notwendig antworte ich: "Gut, dann falle ich fürs Vaterland!"

Im nächsten Moment erzittert der Boden und Kurt Waldheim reitet herein. Er sitzt würdevoll auf dem Rücken von Heinz Christian Strache der als Pferd verkleidet ist.
Waldheim gibt Strache ein Stück braunen Zucker und ruft mit schriller Stimme: "Es war nicht alles schlecht! Die Straße auf der sich der Haider derstessen hat, hat der Hitler gebaut!". Säbelschwingend und irre lachend galoppiert er davon.

Schweißgebadet und verwirrt erwachte ich aus meinem Traum.

Ich konnte nur den ersten Teil dieser Vision sofort deuten, aus dem zweiten werde ich nicht schlau.

Inspiriert von meinem erträumten Tête-à-Tête mit dem Bundespräsidenten, meldete ich mich also für einen Fallschirmsprung über dem Strand von Wollongong an um die gut 16.000 km zwischen meinem Schatz und mir zu verdrängen.

Als ich bei der Hütte von "Skydive the Beach and Beyond", dem Tandemfallschirmsprunganbieter meines Vertrauens, ankam, wurde wieder deutlich, dass Menschen auf verschiedene Arten mit ihren Ängsten umgehen. Denn die Gruppe junger Männer die vor mir mit Springen dran war, hatte sich verkleidet um ihre Nervosität in den Griff zu kriegen. Ich finde das in Ordnung.

Ich habe Superman gefragt wozu er eigentlich einen Fallschirm braucht. Da hat er gesagt, er will nicht auffallen.

Mein Sprungpartner und neuer bester Freund hieß Luke. Man baut halt sofort ein besondere Beziehung zu jenen Menschen auf, von denen das eigene Leben unmittelbar abhängt.
Ich erkundigte mich vorsichtig wie oft er an diesem Tag schon gesprungen war: Achtmal.

Nach dem Inselrundflug / Geiseldrama auf Fraser Island dachte ich mir, mich könnte flugzeugtechnisch nichts mehr schrecken. Da habe ich mich getäuscht, denn in der Maschine in die wir kletterten gab es nicht einmal Sitze sondern nur einen Schaumstoff zum rittlings hinsetzen. Beim 15-minütigen Aufstieg wurde mir aber klar, dass das wohl eher ein Vorteil ist wenn man rasch aus so einer Maschine hüpfen will. Wenn.

Entgegen meinen Erwartungen steigerte sich meine Vorfreude je höher wir mit dem Propellerflugzeug hinaufflogen und ich konnte es direkt kaum erwarten mich gemeinsam mit Luke aus dem Flugzeug zu stürzen.

In einer Höhe von ungefähr 4.2 km machten sie dann die Türe auf und es begann ordentlich zu ziehen. Ich gebe zu, dass mir in dem Moment als die ersten Leute aus dem Flugzeug gestoßen wurden, etwas mulmig zumute wurde. Aber Luke, der Profi, ließ mir keine Zeit für viel Grübelei sondern schob mich vorwärts Richtung Tür und Abgrund.
Leute springen aus einem Flugzeug. Das ist so falsch!
Man hatte uns in der kurzen Einschulung am Boden noch erklärt, wir sollen den Kopf in den Nacken legen wenn wir am Rand des Flugzeugs sitzen und die Füße nach draußen halten.
Offenbar bin ich dafür nicht abgebrüht genug, denn ich war wie gebannt vom Anblick des Erdbodens der viel zu weit unter mir lag.
Das gibt natürlich Abzüge in der B-Note, aber Luke korrigierte geschickt meine Haltung und bevor ich noch mein Stoßgebet zu Ende sprechen konnte, sprangen wir ab.
Luke, der Angeber, kombinierte unseren Absprung mit einer graziösen Seitwärtsrolle, die mich kurz vergessen ließ wo oben und unten ist.

Ich kam beim freien Fall aus dem Staunen nicht heraus: Das Meer, der Strand, das Stahlwerk und die ganze Stadt unter mir waren wunderschön anzusehen. Wie wir so mit etwa 200 km/h nach unten fielen merkte ich, dass wir wärmere Luftschichten erreichten, was sich sehr angenehm anfühlte.


Für Luke ist das Alltag und für mich der reine Wahnsinn

aaaaaaaaah!

Im Flugzeug hatte mir Luke noch erzählt, dass durch eine Wolke zu fallen vom Gefühl her nicht anders sei als im Nebel zu stehen (abgesehen vom freien Fall natürlich). Regen ist bei Fallschirmspringern übrigens sehr unbeliebt weil ein Mensch schneller als die Regentropfen fällt und es recht schmerzhaft ist, wenn die einem ins Gesicht klatschen.
Um solche Widrigkeiten brauchten wir uns an diesem Tag erfreulicherweise nicht zu sorgen, denn die Sonne strahlte munter vor sich hin.


strahlender Sonnenschein + funktionierender Fallschirm: ich brauche beides zum Leben
Nach etwa einer Minute freiem Fall zog Luke an der Leine und der Fallschirm öffnete sich prompt. Ein anderes Fallschirmspringerpaar hatte weniger Glück: Der erste Fallschirm ging nicht auf. Ist aber nichts passiert, schließlich gibt es ja noch einen zweiten Fallschirm der dann auch funktionierte.

Nachdem der Fallschirm sich geöffnet hatte, segelten wir gemütlich dahin während ich die Aussicht genoss. Luke überließ mir nach einer Weile die Zügel und ich steuerte uns unter seinen Anweisungen Richtung Landeplatz.

Wir hatten auch Schwimmwesten dabei, für den Fall dass wir ins Wasser stürzen

Wir fliegen über den Strand

Als wir dann nach zirka sechs Minuten Fallschirmfahrt in den Landeanflug übergingen, zog ich, wie in der Einschulung gelernt, die Haxen an. Bei "Skydive the Beach and Beyond" ist es nämlich Brauch, mit dem Hintern zuerst zu landen.
Ich schätze, dass das zum einen verhindert, dass man sich den Knöchel beim Landen verstaucht, und zum anderen schaut es witzig aus.

Bereit zur Landung
Wer durch meine verbale Beschreibung jetzt noch kein ausreichendes Bild vom Sturzflug hat, für den habe ich unter folgendem Link ein Video das den ganzen Irrsinn dokumentiert: Klick

Mit diesem Fallschirmsprung neigt sich auch mein Blog dem Ende zu.

Ich bedanke mich bei den Freunden, Verwandten und allen anderen, die mich als Leser bei meiner Reise durch Australien begleitet haben.

Mein ganz besonderer Dank gebührt meiner Familie deren unschätzbare Unterstützung dieses Abenteuer möglich machte und zu der ich jetzt glücklich heimkehre.

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