Bezugnehmend auf meinen letzten Eintrag im Reiseblog, erreichte mich wieder eine Vielzahl an Fanbriefen. Darunter diesmal signifikant viele Einreichungen von unseren nordischen Nachbarn, den Deutschen.
Sie meuterten, dass der Text passagenweise unverständlich und von fremdem Vokabular sowie exotischer Grammatik geprägt sei. Ja, ich gebe zu, mir hat es den Österreicher, angesichts der dramatischen Entführung meiner Theresa, gescheit herausgehaut. Vielleicht liegt das daran, fange ich an zu philosophieren, dass wir in den Momenten größter Drangsal und Not auf eine primitivere Bewusstseinsebene zurückfallen. Es kann aber auch sein, dass ich die Marmeladinger mental bisher nicht zu meinem Zielpublikum gezählt habe. Das soll sich auch in Zukunft nicht ändern. (Ich grüße an dieser Stelle die Familie Wimplinger und ganz besonders herzlich Andrea)
Theresa und ich begaben uns weiter in den Süden Australiens. Wir verließen langsam das angenehme Klima des Nordens und kamen im verregneten Brisbane an.
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Manche meinen, Brisbane sei ein kleines Sydney |
"Was kann man in Brisbane tun?", frage ich meine Frau. "Wir gehen in ein Museum!", sagt sie, "ich liiiiiebe Museen!"
Ich
denke an die Haltung zurück, dir mir einst mein Spezl Ralf näher
gebracht hat und gleichsam das Fundament jeder glücklichen Ehe ist: Mir
ist es wurscht und ihr macht es eine Freude.
"Super Idee, Schatzi!", knirsche ich.
Theresa
war immer schon künstlerisch veranlagt. Ihr -mittlerweile international
renommierter- Kaiserschmarrn zum Beispiel erinnert optisch an die Werke
eines jungen Jackson Pollock spielt aber geschmacklich auf einer weit
höheren Liga.
Folgerichtig suchte sich Theresa also die "Gallery of Modern Art" für unseren Bildungsbesuch aus.
Bevor
wir noch das Museum betraten, beschlich mich der Verdacht, dass die
dortigen Kuratoren etwas schleißig mit den Exponaten umgehen. Wie zum
Beispiel, kann es sein, frage ich mich den Praktiker-Kopf schüttelnd,
dass man einen Elefanten falsch in die Landschaft stellt? Haben sich die
feinen Herren mit dem abgeschlossenen Kunststudium gedacht, es fällt
nicht auf, wenn der Dickhäuter einen Kopfstand macht.
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Irgendetwas stimmt hier nicht |
Erst später wurde mir klar, dass ich aus meiner Perspektive das
Kunstwerk nicht verstehen habe können. Es verbirgt sich nämlich
hinter
dem Elefanten eine kleine Wasserratte (auch aus Bronze).
Theresa
erklärte mir geduldig, dass es sich bei "The World Turns" von Michael
Parekowhai um eine Kritik der Geschichtsschreibung handelt. Nämlich,
dass sich Historiker gern auf die großen Männer und deren Perspektive
konzentrieren. Dabei übersehen sie den Blickwinkel und die Geschichten
der Kleinen, die mit allen Füßen -und nicht mit dem Kopf- am Boden
stehen.
"Jetzt wo du es sagst, sehe ich es auch".
Ich gebe zu, dass mein FH-Hirn für solche abstrakten Gedankensprünge nicht geschaffen ist.
Deswegen
sind bei Theresa und mir, wie in jeder ordentlichen Partnerschaft auch,
die alltäglichen Aufgaben zuhause klar und gerecht verteilt: Ich bin
der praktische Typ der in der Wohnung die Glühbirnen wechselt und sich
generell um den Haushalt kümmert. Sie, als die Intellektuelle, schreibt
einen kritischen Essay darüber, auf italienisch.
Ich kann mich nicht beklagen.
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Tomás Saraceno, Biosphere |
Das Museum wartete mit einem Raum über Aktionskunst inklusive Videos
auf. Theresa und ich glaubten, wir könnten uns wie gewöhnlich am Sonntag
um 20:15 ein bisschen vor dem Fernsehgerät entspannen, ahnten aber
nicht, auf welchen Wahnsinn wir uns einließen. Denn Anstatt Harald
Krassnitzer und Adele Neuhauser erwarteten uns
Rebecca Horn und
Erwin Wurm.
Theresa, ich und
ein kleiner Junge neben uns saßen auf der Bank und sahen Wurm dabei zu
wie er seine kurzlebigen Skulpturen bastelte. Als der Bursch uns fragte,
was Wurm da mache, hätte ich gerne den Klassiker "Dafür bist du noch zu
jung" gebracht. Aber das wäre gelogen gewesen, weil das Alter indem man
bildende Kunst versteht, kommt nicht von selber. Das fährt einem
entweder sofort direkt ins Hirn wie ein Filzstift oder man erarbeit sich
eine Erklärung.
Theresa, Lehrerin aus Leidenschaft, konnte uns die Kunst von Erwin Wurm
verständlich machen und in einen lebensrelevanten Kontext setzen (wie
man in der Fachdidaktik so sagt):
Die One Minute Sculptures
sind ein humorvoller Kommentar über die Bemühungen von Künstlern sich
durch ihre Werke unsterblich zu machen. Nichts ist für die Ewigkeit
geschaffen und das sollte jeder akzeptieren. Kunst lebt nicht ewig.
Außerdem, fährt Theresa mit der Brille auf der Nasenspitze fort, finden
die
Red Hot Chili Peppers den Erwin Wurm auch super. Das allein war für
mich schon Grund genug die Kunst ernst zu nehmen. Nicht aber für den
Knaben neben mir; der hat gerade mit Nirvana-Hören angefangen. Die 90er
sind stark in Australien.
Rebecca Horn auf der anderen Seite war nicht so zugänglich und Theresa fiel auch keine Band ein, die mit ihrer Kunst Musikvideos produzierte.
Die Videos aus den frühen Siebzigern auf denen Körpererweitungen wie die Bleistiftmaske, die Kopfextension und der Einhornanzug in Aktion zu sehen sind, waren selbst Theresa zu steil. Auch sie konnte unser hilfloses Gefühl der Entfremdung nicht durch eine ihrer Deutungen mildern.
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Rebecca Horn, Kopfextension |
In diesem Sinne schließe ich den heutigen Blogeintrag und mache wieder einmal vage Andeutungen was meiner geschätzten Leserschaft das nächste Mal blüht:
Dschungel, Wasserfälle, Regenbögen und ein Stargast aus dem Land der aufgehenden Sonne.