Saturday 15 November 2014

Das Fallen

Ich neige seit jeher zur Melancholie und als meine Theresa wieder in die Heimat zurückgekehrt war, musste ich mich beschäftigen um nicht trübselig zu werden.

Ich probierte es mit Arbeit; das funktionierte eine Weile.
Aber von der Arbeit alleine wird man nicht froh und meine Gedanken begannen zu schweifen.
Eines Tages saß ich sorgenvoll unter einem Gummibaum in Wollongong und nickte ein.
Mir träumte eine Begegnung deren Details ich nur zögerlich und schamvoll wiedergeben kann, die aber den Hintergrund meiner späteren Verzweiflungstat liefert:

Bundespräsident Dr. Heinz Fischer offenbart mir während eines Vieraugengesprächs in der Hofburg, dass Australien in gewisser Hinsicht schmerzlich unterentwickelt sei und es an Österreich liege, humanitäre Hilfe zu leisten.
"Heinz!", sage ich (auch im Traum waren wir per du), "was immer Österreich von mir verlangt, ich folge! Aber was meinst du genau mit 'humanitärer Hilfe'?"
Das beliebteste Staatsoberhaupt aller Zeiten druckst ein wenig herum, erklärt mir jedoch schließlich die Natur der Entwicklungshilfe und mir rennt die Farbe ab.
Mit ernster Miene schildert mir der Träger des Großkreuzes der Französischen Ehrenlegion, dass die einzige Hoffnung die Australien noch bleibe, darin bestünde, mich als Care-Paket über dem Strand von Wollongong für die dortigen Sonnenanbeterinnen abzuwerfen.
In meinem Traum waren die Worte des Oberbefehlshabers komplett plausibel und mit mehr Pathos als notwendig antworte ich: "Gut, dann falle ich fürs Vaterland!"

Im nächsten Moment erzittert der Boden und Kurt Waldheim reitet herein. Er sitzt würdevoll auf dem Rücken von Heinz Christian Strache der als Pferd verkleidet ist.
Waldheim gibt Strache ein Stück braunen Zucker und ruft mit schriller Stimme: "Es war nicht alles schlecht! Die Straße auf der sich der Haider derstessen hat, hat der Hitler gebaut!". Säbelschwingend und irre lachend galoppiert er davon.

Schweißgebadet und verwirrt erwachte ich aus meinem Traum.

Ich konnte nur den ersten Teil dieser Vision sofort deuten, aus dem zweiten werde ich nicht schlau.

Inspiriert von meinem erträumten Tête-à-Tête mit dem Bundespräsidenten, meldete ich mich also für einen Fallschirmsprung über dem Strand von Wollongong an um die gut 16.000 km zwischen meinem Schatz und mir zu verdrängen.

Als ich bei der Hütte von "Skydive the Beach and Beyond", dem Tandemfallschirmsprunganbieter meines Vertrauens, ankam, wurde wieder deutlich, dass Menschen auf verschiedene Arten mit ihren Ängsten umgehen. Denn die Gruppe junger Männer die vor mir mit Springen dran war, hatte sich verkleidet um ihre Nervosität in den Griff zu kriegen. Ich finde das in Ordnung.

Ich habe Superman gefragt wozu er eigentlich einen Fallschirm braucht. Da hat er gesagt, er will nicht auffallen.

Mein Sprungpartner und neuer bester Freund hieß Luke. Man baut halt sofort ein besondere Beziehung zu jenen Menschen auf, von denen das eigene Leben unmittelbar abhängt.
Ich erkundigte mich vorsichtig wie oft er an diesem Tag schon gesprungen war: Achtmal.

Nach dem Inselrundflug / Geiseldrama auf Fraser Island dachte ich mir, mich könnte flugzeugtechnisch nichts mehr schrecken. Da habe ich mich getäuscht, denn in der Maschine in die wir kletterten gab es nicht einmal Sitze sondern nur einen Schaumstoff zum rittlings hinsetzen. Beim 15-minütigen Aufstieg wurde mir aber klar, dass das wohl eher ein Vorteil ist wenn man rasch aus so einer Maschine hüpfen will. Wenn.

Entgegen meinen Erwartungen steigerte sich meine Vorfreude je höher wir mit dem Propellerflugzeug hinaufflogen und ich konnte es direkt kaum erwarten mich gemeinsam mit Luke aus dem Flugzeug zu stürzen.

In einer Höhe von ungefähr 4.2 km machten sie dann die Türe auf und es begann ordentlich zu ziehen. Ich gebe zu, dass mir in dem Moment als die ersten Leute aus dem Flugzeug gestoßen wurden, etwas mulmig zumute wurde. Aber Luke, der Profi, ließ mir keine Zeit für viel Grübelei sondern schob mich vorwärts Richtung Tür und Abgrund.
Leute springen aus einem Flugzeug. Das ist so falsch!
Man hatte uns in der kurzen Einschulung am Boden noch erklärt, wir sollen den Kopf in den Nacken legen wenn wir am Rand des Flugzeugs sitzen und die Füße nach draußen halten.
Offenbar bin ich dafür nicht abgebrüht genug, denn ich war wie gebannt vom Anblick des Erdbodens der viel zu weit unter mir lag.
Das gibt natürlich Abzüge in der B-Note, aber Luke korrigierte geschickt meine Haltung und bevor ich noch mein Stoßgebet zu Ende sprechen konnte, sprangen wir ab.
Luke, der Angeber, kombinierte unseren Absprung mit einer graziösen Seitwärtsrolle, die mich kurz vergessen ließ wo oben und unten ist.

Ich kam beim freien Fall aus dem Staunen nicht heraus: Das Meer, der Strand, das Stahlwerk und die ganze Stadt unter mir waren wunderschön anzusehen. Wie wir so mit etwa 200 km/h nach unten fielen merkte ich, dass wir wärmere Luftschichten erreichten, was sich sehr angenehm anfühlte.


Für Luke ist das Alltag und für mich der reine Wahnsinn

aaaaaaaaah!

Im Flugzeug hatte mir Luke noch erzählt, dass durch eine Wolke zu fallen vom Gefühl her nicht anders sei als im Nebel zu stehen (abgesehen vom freien Fall natürlich). Regen ist bei Fallschirmspringern übrigens sehr unbeliebt weil ein Mensch schneller als die Regentropfen fällt und es recht schmerzhaft ist, wenn die einem ins Gesicht klatschen.
Um solche Widrigkeiten brauchten wir uns an diesem Tag erfreulicherweise nicht zu sorgen, denn die Sonne strahlte munter vor sich hin.


strahlender Sonnenschein + funktionierender Fallschirm: ich brauche beides zum Leben
Nach etwa einer Minute freiem Fall zog Luke an der Leine und der Fallschirm öffnete sich prompt. Ein anderes Fallschirmspringerpaar hatte weniger Glück: Der erste Fallschirm ging nicht auf. Ist aber nichts passiert, schließlich gibt es ja noch einen zweiten Fallschirm der dann auch funktionierte.

Nachdem der Fallschirm sich geöffnet hatte, segelten wir gemütlich dahin während ich die Aussicht genoss. Luke überließ mir nach einer Weile die Zügel und ich steuerte uns unter seinen Anweisungen Richtung Landeplatz.

Wir hatten auch Schwimmwesten dabei, für den Fall dass wir ins Wasser stürzen

Wir fliegen über den Strand

Als wir dann nach zirka sechs Minuten Fallschirmfahrt in den Landeanflug übergingen, zog ich, wie in der Einschulung gelernt, die Haxen an. Bei "Skydive the Beach and Beyond" ist es nämlich Brauch, mit dem Hintern zuerst zu landen.
Ich schätze, dass das zum einen verhindert, dass man sich den Knöchel beim Landen verstaucht, und zum anderen schaut es witzig aus.

Bereit zur Landung
Wer durch meine verbale Beschreibung jetzt noch kein ausreichendes Bild vom Sturzflug hat, für den habe ich unter folgendem Link ein Video das den ganzen Irrsinn dokumentiert: Klick

Mit diesem Fallschirmsprung neigt sich auch mein Blog dem Ende zu.

Ich bedanke mich bei den Freunden, Verwandten und allen anderen, die mich als Leser bei meiner Reise durch Australien begleitet haben.

Mein ganz besonderer Dank gebührt meiner Familie deren unschätzbare Unterstützung dieses Abenteuer möglich machte und zu der ich jetzt glücklich heimkehre.

Monday 3 November 2014

Blue Sydney

Sydney: Alles Verbrecher

Nach dem Lianengewirr in Minnamurra und dem übertriebenen Regenbogenaufgebot von Kiama wird es Zeit für den nüchternen Großstadtdschungel.
Theresa und ich hatten nämlich noch eine Rechnung offen mit der größten Stadt dieses Kontinents: Um die Ursprünge des heutigen Australiens zu erkunden, besuchten wir die Hyde Park Barracks in Sydney.

Auch 195 Jahre nach ihrer Fertigstellung versprühen die Baracken ein zwielichtiges Flair
Diese Baracken waren im 18. und 19. Jahrhundert das Zuhause zahlreicher Strafgefangener aus Großbritannien und ist heute ein Museum das die Zustände der damaligen Zeit dokumentiert.
Im Gespräch mit meinem geschätzten Laborkollegen und Ozeanien-Experten Daniel Avery erfuhr ich unlängst, dass die rund 80% jener Australier die ihre Herkunft nach Europa zurückverfolgen können, kein Problem mit der kriminellen Vergangenheit ihrer Vorfahren haben.
Ich unterstelle dem australischen Volk damit keineswegs eine Neigung zur Gesetzesübertretung. Es ist vielmehr kein Tabu zu sagen, dass die ersten Siedler alle etwas auf dem Kerbholz hatten.

Keine Sträflinge: Matthias und Theresa zwischen Hyde Park und St. Mary's Cathedral
Das Museum in Sydney zeichnete ein recht rabiates Bild vom damaligen Großbritannien, dessen Arbeiterklasse gerade die volle Brutalität der Industrialisierung spürte: Die Ungleichheit innerhalb der Gesellschaft befand sich auf unerhörtem Niveau.
Die Oberschicht fürchtete sich um ihren Besitz und nahm ungeniert Einfluss auf die Gerichtsbarkeit um Eigentumsdelikte höchstmöglich zu bestrafen. Auf geringe Diebstähle stand die Todesstrafe und die Hinrichtungen wurden öffentlich veranstaltet.
Im Irrglauben, dass das potentielle Diebe abschrecke.

Früher gab es noch eine zweite Etage Hängematten im selben Raum


Die Freiluft-Exekutionen waren aber so eine Hetz, dass die Massen sie zur Unterhaltung besuchten, was wiederum viele Taschendiebe anlockte.
Als dann die Einsicht nahe lag, dass das ganze Hinrichten nicht den gewünschten Effekt erzielte, entschied man sich -auch vor dem Hintergrund des galoppierenden Imperialismus Großbritanniens- den Sträflingen eine Alternative zum Strang zu bieten.

Während man die Delinquenten in Österreich zum Sacklpicken verdammte, stellten die britischen Gerichte ihre Verurteilten vor die Wahl: Entweder Zwangsarbeit in der Strafkolonie oder Galgentod im Heimatland.
Weil die Krone nach dem Ende des amerikanischen Unabhängigkeitskrieg 1776 genug von den noch-nicht-vereinigten Staaten hatte, schiffte man die Sträflinge nach Australien um dort den britischen Einfluss zu mehren.

Dieses Konzept der von Gerichten geförderten Zwangsarbeit blieb nicht einzigartig in der Geschichte Großbritanniens und wenn ich meiner neugewonnenen Freundin und US-Korrespondentin Sangita Diaz Glauben schenken darf, dann grassiert in einer anderen ehemaligen Kolonie auch heutzutage noch die Zwangsarbeit in den überfüllten Gefängnissen wo unter Sklaverei-ähnlichen Bedingungen viele Organisationen (IBM, Victoria's Secret, US Army) kostengünstig produzieren lassen.
Ein Riesengeschäft ist das.

Links im Bild: Sydney Tower Eye


Soviel dunkle Geschichte macht hungrig und so begaben wir uns nach Chinatown um etwas von den örtlichen, fernöstlichen Spezialitäten zu kosten.
In meinem jugendlichen Leichtsinn dachte ich mir, ich sollte meinen kulinarischen Horizont erweitern. Der Gedanke allein war schon von Grund auf töricht: Lieber beim Gewohnten bleiben. Weils da draußen nix gibt.

Gebratener Reis ist für Feiglinge

Aber offensichtlich hat meine christlich-konservative Erziehung in diesem entscheidenden Moment beim Chinesen ausgelassen denn ich bestellte mir ein tausendjähriges Ei mit Tofu.
Man kannte dem Ei sein ehrwürdiges Alter an. Der Dotter hatte sich schwarzgrau verfärbt und das Weiße vom Ei war als dunkles Gelee kaum wiederzuerkennen.
Aber geschmacklich gut!

Heute noch liege ich nachts wach und frage mich, was die haarigen Streusel waren. Ich kann nur sagen, dass sie wie ein Suppenwürfel schmeckten

Leider ist es meinem Gaumen dann doch etwas zu exotisch geworden und ich musste, bevor ich noch ganz aufgegessen hatte, w.o. geben.
Nach intensiven Recherchen im asiatischen Kulturkreis (also eine kurze Umfrage in meinem Labor) stellt sich heraus, dass es überhaupt kein Zeichen von Höflichkeit ist, als Gast etwas vom Essen übrigzulassen. Trotzdem zogen wir uns in diesem authentisch-chinesischen Restaurant nicht den bösen Blick der Köche zu.
Im Gespräch mit der Chefin des Restaurants war eher eine leichte Spur Anerkennung zu vernehmen, als sie mir sagte, dass ich mich über ein sehr traditionelles Gericht getraut habe.
Nachdem wir ihr verraten hatten woher wir kamen, erzählte sie uns gleich recht stolz, dass ihre Tochter Musik in Australien studiert, denn sie kannte Österreich und verband das Land mit den Komponisten die es hervorgebracht hat.
Das war seinerzeit Ayakás erste Reaktion und jene von Bryant Tan, einem Freund vom Studentenheim der ein Liebhaber klassischer Musik ist und sich zur chinesischen Minderheit in Malaysien zählt.
Ich kann als Gstudierter anhand dieser Daten ruhigen Gewissens hochrechnen und sagen, dass alle Asiaten dieser Welt (4.3 Milliarden) Österreich mit klassischer Musik verbinden beziehungsweise mit jenem Film der Österreichs Bild im Ausland wohl am stärksten geprägt hat.

Zwei Buchstaben und gut sechzehntausend Kilometer

Blue Mountains: Nebel ohne Wiederkehr


Um Theresa auf die Heimkehr ins Land der Berge etwas vorzubereiten, machten wir einen Wochenendausflug nach Katoomba in die Blue Mountains.
Katoomba ist eine kleine Stadt deren Bewohner auf dem einschlägigen Wikipediaeintrag gleich zweimal als "exzentrisch" bezeichnet werden.
Mein Eindruck war, dass sich Katoomba als perfekter Schauplatz für einen Stephen King Roman eignet. Da war zum einen unser Hotel, das sich zwar Clarendon nannte, aber ich war mir sicher, wenn ich einen Blick hinter das Schild geworfen hätte, den Schriftzug "Overlook Hotel" gefunden zu haben.
Es schien nur mir aufzufallen, aber ich war mir sicher die Rezeptionistin, sie, sie, sie blinzelte nur mit einem Auge.

Ein weiteres Mal zeigt sich, dass der britische Einfluss auf Australien nicht immer zum Besten war

Zum anderen war da der Nebel, der sich mit unnatürlicher Geschwindigkeit und Dichte über die 8000-Seelen-Stadt ausbreitete.
Theresa und ich hatten genug Zeit in den Welten Stephen Kings verbracht um zu wissen, was es geschlagen hat: Die Heckenfiguren meiden, das Antlitz unserer Väter nie vergessen und Zuflucht im Einkaufszentrum suchen. Nur: In einer gottverlassenen kleinen Stadt wie dieser gab es keine Einkaufszentren die Schutz vor dem Nebel des Grauens boten. So huschten wir von Krämerladen zu Krämerladen wo man uns allerhand needful things anbot.

Welch blasphemische Botschaft verbirgt sich hinter Katoombas Kunst?

Schließlich schafften wir es zu den drei Schwestern, einer Gesteinsformation die drei versteinerte Frauen darstellt.
Die Entstehungsmythen um diese bizarren Säulen sind zahlreich und widersprüchlich. Manche sagen, die Schwestern seien von ihrem eigenen Vater versteinert worden um sie vor dem grauslichen Bunyip zu schützen, einem Horrorwesen über das selbst ein HP Lovecraft nur furchtsam vage Andeutungen gemacht hätte.
Die vierte Schwester
Andere Interpretationen gehen davon aus, dass die Felsen einst drei schwangere Schwestern waren, die vor Schreck und Zorn über den Ungehorsam ihrer Ehemänner zu Steinsäulen erstarrten.
Das Schauspiel war für uns nur wenige Momente zu erkennen bis dichter Nebel die Schwestern umfing, gleich einem Alkoholschleier der sich manchmal gnädig um den Verstand legt.
Jamison Valley, kurz bevor der Nebel kam

Die Schwestern warten auf ihre Entsteinerung

Theresa und ich ließen uns von der mangelnden Aussicht aber nicht die Laune verderben schließlich konnten wir uns die beeindruckende Landschaft die jenseits des Nebels lag eh vorstellen.
Und auch das dortige Tourismusbüro hatte für solche nebligen Tage, die scheinbar öfters vorkamen als die Werbeprospekte zugeben wollten, vorgesorgt: Eine wandgroße Fotographie von der Landschaft draußen bot ein Ersatzmotiv für alle die es mit der Wahrheit nicht so genau nehmen.

Im Hintergrund die atemberaubendste Landschaft der Welt (nur sichtbar für Leute von Charme, Anstand und Intelligenz)

Am Ende schieße ich noch ein paar Bilder nach die gar nichts mit Sydney oder Katoomba zu tun haben sondern wieder ein paar Eindrücke vom schönen Wollongong vermitteln sollen:


Das Musikkonservatorium im botanischen Garten von Wollongong

Unsere Lieblingsbank

Saturday 18 October 2014

Das Land der Geisterfahrer

Der Einfluss des Vereinten Königreichs auf Australien und seine Menschen muss bei näherer Betrachtung als verheerend bezeichnet werden. Der Kolonialismus britischer Prägung hat zwar über die Jahrhunderte verschiedene Masken aufgesetzt, war aber stets alive and kicking. Einen der zynischsten kulturellen Exporte Ihrer Majestät durfte ich Ende August am eigenen Leib erfahren: Den Linksverkehr.

Die Kraftfahrer unter meinen Lesern werden es mir nachfühlen wenn ich sage: Die Zivilisiertheit einer Gesellschaft lässt sich am Straßenverkehr ablesen.
Als Theresa und ich beschlossen von Wollongong aus mit dem Leihauto einen Tagesausflug zu drei nahegelegenen Sehenswürdigkeiten zu machen, setzten wir uns also der nackten Barbarei aus.

Als ich sah, dass das Lenkrad auf der rechten Seite ist, war mir bereits klar, dass das vermutlich kein Fahrvergnügen wird. Als ich in den Früh- bzw. Linksverkehr einbog, beschlich mich die Angst, dass das ganze böse ausgeht. Als ich zum wiederholten Mal im zweispurigen Kreisverkehr angehupt wurde und Theresa mich fragte "Gehts eh?", sagte ich, "Aber sicher, Mausi! Alles im Griff!".
Wie sich das als Mann so schickt, habe ich meine Unsicherheit und Inkompetenz mit Aggression und Großspurigkeit überspielt. Ein Erfolgsrezept.

Und tatsächlich, nachdem ich noch einige Male zu Recht angehupt wurde, gewohnte ich mich an die spiegelverkehrten Verhältnisse und wir holten ohne Katastrophen den im letzten Blogeintrag bereits angekündigten Publikumsliebling ab: Ayaká Fujiwara.
Ayaká hat in Kyoto übrigens Volleyball und Englisch unterrichtet. Und wird es wieder tun, wenn sie heim kommt.

Als ich sie damals fragte ob sie Mila Superstar kenne, meinte sie, dass ihre Mutter das gerne geschaut habe als sie jung war. Ayaká erklärte mir, dass die Serie schon 1969 unter dem fetzigen Namen Atakku Nanbā Wan (Attacke Nummer 1) erstausgestrahlt wurde.
Meine ehemalige WG-Kollegin stieg ein, bot Kekse an, und wir fuhren los Richtung Minnamurra. Der Dschungel wartet.

Minnamurra

Wir drei hatten insgesamt sechs Kameras mit an diesem Tag. Acht, wenn man die rückseitige Linse von Theresas und Ayakás Handys mitzählt. Ayakás Fotos lassen sich leicht an der dezent höheren Sättigung erkennen.

Theresa und Ayaká: blutjung und schick
Vogelnest-Farn

Lianen-Ayaká

Spargeltarzan II: Der Regenwald schlägt zurück

Im Hintergrund: Eine gigantische Würgefeige

Wir fühlen uns wohl im Dschungel

Die Amazonen aus der Ferne


Aus der Nähe kann man ihre Drohgebärden sehen!

Der Minnamurra Regenwald gilt als beispielhaft...


... für den Dschungel der sich früher über die komplette Region erstreckt hat

Sonnenschein und Regen wechselten sich ab...

...und wir passten aufeinander auf, damit keiner ausrutscht


Wie in einer Ehe, würde mein Vater sagen
 
Minnamurra liegt in einem subtropischen Miniklima

Die 2.6 Kilometer durch den Dschungel brachten Theresa und mich doch etwas außer Atem.
Im Gegensatz zu Ayaká, die hüpfte munter voraus


Die Lianen nehmen teilweise bizarre Formen an
Der erste, kleinere Wasserfall von Minnamurra

So sieht der Wasserfall von weiter oben aus (inklusive Regenwald-Regen): Link

Bin ich der Einzige der einen versteinerten Entenkopf sieht?

Nach einer guten Stunde sind wir beim größeren Wasserfall angekommen. Wunderschön, wie ich finde: Link

Die höhergelegenen Wasserfälle von Minnamurra boten den ersten hübschen Regenbogen an diesem Tag. Es sollte nicht der letzte bleiben

Ein bisschen Kitsch muss sein

Kiama Blowhole

Ich höre öfters, dass der Abwechslungsreichtum der neuseeländischen Natur Grund genug ist, die Insel zu besuchen. Aber Australien braucht sich in dieser Hinsicht auf keinen Fall verstecken: Wir verließen mit unserem Seat den Dschungel und seine Wasserfälle, fanden uns im kurz darauf in einer grünen Hügellandschaft mit ausgedehnten Weideflächen für Kühe und Pferde wieder um schließlich in der palmenbesetzten Küstenstadt von Kiama anzukommen. Da können sich die in Neuseeland herunterlassen.

Das einzige was die Kiwis den Australiern voraus haben, sind gut ausgestattete Flughäfen. Auf der anderen Seite, wer bleibt schon länger als notwendig auf einem Flughafen? Aber ich schweife ab.

Kiama hat gut 12.000 Einwohner

Die Leute kommen hierher zum Surfen, Fischen und Fontänenschauen...
 
...oder um theatralisch in die Ferne zu blicken


Ayaká ist mäßig begeistert
Der Wind blies stark...

...aber die Sonne wärmte uns


Ein Meeresschwimmbecken. Solche gibt es in Wollongong auch
Wir nähern uns dem interessanten Teil Kiamas...


Kiama ist eine kleine, malerische Stadt mit einer großen Attraktion. Früher hat erstarrte Lava die Küste durchzogen. Diese Lava war weicher als das restliche Gestein und wurde daher schneller abgetragen. Dadurch haben sich Tunnel und Hohlräume gebildet die jetzt vom Meer durchflutet werden. In den Hohlräumen bildet sich regelmäßig großer Luftdruck der das Wasser in hohen Fontänen in die Höhe spritzen lässt.
So schaut das aus:

Jede Fontäne wird von einem Grollen und leichten Erdbeben begleitet





Nach ein paar Minuten stand die Sonne genau richtig ...

...sodass bei jeder größeren Fontäne...
...ein Regenbogen zurückblieb

Regenbögen links, rechts und mittig!

Doppelregenbogen!

Ein Goldschatz am Ende des Regenbogens

Und dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Ayaká beschwört all diese Regenbögen. Sie ist das Mädchen mit den Zauberkräften!

Wer gerne die Fontäne in Aktion sehen möchte, hier gibts ein Video
Kiamas Leuchtturm wurde 1887 fertiggestellt


Am Rückweg wollte ich noch ein paar Semmeln aus dem Picknickkorb fuchsen. Ich wurde aber von der Familie ertappt und tat so, als wäre meine Absicht gewesen, ihnen ein Gruppenfoto anzubieten

Killalea Park

Zu guter Letzt besuchten wir den Killalea Park. Wir hatten dort nicht allzuviel Zeit weil der Autoverleih um sechs Uhr zusperrt und wir bis dahin das Auto wieder zurückbringen mussten.
Deswegen konzentrierten wir uns auf die wesentlichen Dinge: Zum Beispiel diesen mordsdrum Baum zu bekraxeln.


Theresa und ich ganz klein

Ich war noch nie ein großer Turner, deswegen brauche ich auch die Hilfe von Ayaká

Madame Fujiwara nimmt Anlauf...
...und schwingt sich mit katzengleichem Geschick auf den Ast!

Geschafft! Ein Dankeschön an unsere Sportfotografin Theresa


Wir gingen durch den Wald von Killalea...
...und kamen am Meer an. Auch wenn nicht unbedingt Badewetter war...

...genossen wir das Meer, den Strand und die Wolken
Damit neigte sich unser regenbogenlastiger Tagesausflug dem Ende zu. Den Leihwagen brachten wir auf die Minute und unter einigen Verstößen gegen die StVO zurück.

Im nächsten Eintrag widmen wir uns wieder Sydney zu und welchen Fehler ich dort in Chinatown beging.
Außerdem: Matthias und Theresa bereisen die Blue Mountains! Gibt es ein Entrinnen vor dem Nebel des Grauens?